Liebe Gemeinde,

der vorgeschlagene Predigttext für heute steht in Genesis 22, Verse 1-14. Dazu lese ich auch die Verse 15 und 18. Ich lese aus der Basisbibel-Übersetzung.

1 Einige Zeit später
stellte Gott Abraham auf die Probe.
Er sagte zu ihm: »Abraham!«
Der antwortete: »Hier bin ich!«
2 Gott sagte: »Nimm deinen einzigen,
deinen geliebten Sohn Isaak,
und geh mit ihm in das Land Morija.
Bring ihn dort als Brandopfer dar –
auf einem Berg, den ich dir nennen werde.«
3 Am nächsten Morgen stand Abraham früh auf
und sattelte seinen Esel.
Er nahm zwei seiner Knechte und seinen Sohn Isaak mit
und hackte Holz für das Brandopfer.
Dann brach er auf und ging zu dem Ort,
den Gott ihm genannt hatte.
4 Am dritten Tag sah Abraham den Berg in der Ferne.
5 Da sagte er zu seinen Knechten: »Bleibt mit dem Esel hier.
Der Junge und ich, wir gehen dort hinauf, um zu beten.
Dann kommen wir zu euch zurück.«
6 Abraham nahm das Holz für das Brandopfer
und lud es seinem Sohn Isaak auf.
Er selbst nahm das Feuer und das Messer in die Hand.
So gingen die beiden gemeinsam weiter.
7 Isaak sagte zu Abraham, seinem Vater: »Mein Vater!«
Der erwiderte: »Ja, mein Sohn?«
Isaak fragte: »Hier sind Feuer und Holz.
Aber wo ist das Lamm für das Brandopfer?«
8 Abraham antwortete:
»Gott wählt sich das Opferlamm aus, mein Sohn.«
So gingen die beiden gemeinsam weiter.
9 Sie kamen an den Ort, den Gott ihm genannt hatte.
Dort baute Abraham einen Altar
und schichtete das Holz darauf.
Dann fesselte er seinen Sohn Isaak
und legte ihn auf den Altar, oben auf das Holz.
10 Abraham streckte seine Hand aus
und ergriff das Messer,
um seinen Sohn als Opfer darzubringen.
11 Da rief ein Engel des Herrn vom Himmel her:
»Abraham! Abraham!«
Der antwortete: »Hier bin ich!«
12 Der Engel sagte:
»Streck deine Hand nicht nach dem Jungen aus
und tu ihm nichts an!
Jetzt weiß ich,
dass du wirklich Ehrfurcht vor Gott hast.
Deinen einzigen Sohn hast du mir nicht vorenthalten.«
13 Als Abraham aufsah,
erblickte er einen Widder hinter sich.
Der hatte sich mit seinen Hörnern
im Gestrüpp verfangen.
Abraham ging hin, ergriff den Widder
und brachte ihn anstelle seines Sohnes
als Brandopfer dar.
14 Abraham nannte diesen Ort »Der Herr sieht«.
Deshalb sagt man noch heute:
»Auf dem Berg, wo der Herr sich sehen lässt.«
15 Der Engel des Herrn rief ein zweites Mal
vom Himmel her Abraham zu:
16 »Das habe ich bei mir selbst geschworen!
– Ausspruch des Herrn:
18 Weil du auf mich gehört hast,
werden alle Völker der Erde
durch deine Nachkommen Segen empfangen.«

Liebe Gemeinde,

ich kann Ihnen nicht beschreiben, wie schwierig es für mich war, mich für diesen Predigttext zu entscheiden. Einfacher wäre es, wenn wir diesen Predigttext vermeiden würden, sowie wir diesen Text meistens im Religionsunterricht in den Schulen vermeiden. Es gibt sehr viele Fragen in diesem Text und nach tausenden von Jahren hat man keine befriedigende Antwort darauf gefunden. Auch nach dieser Predigt, werden wir noch sehr viele Fragen haben.

Liebe Gemeinde,

es gibt die Tradition in unserer Gemeinde, dass wir Pastoren an einem Tag in der Woche, bei unserer Dienstbesprechung mit einer Diskussion über den Predigttext beginnen. Unsere Diskussion in dieser Woche hat mit dem Satz angefangen: „Es ist eine Probe“. Ja, und das Wichtigste bei einer Probe ist, dass man daraus etwas lernen soll.

Ich bin mir sicher, dass Gott Abraham kennt. Gott wusste, dass Abraham ihm gehorchen würde. Gott hat doch Abrahams Gehorsam gesehen, als er ihn aus seinem Vaterland gerufen hat. Aber warum war es Gott noch wichtig, Abraham abermals auf diese Probe zu stellen? Warum war es Gott wichtig, den zu prüfen, dem er versprochen hat: „Ich will dich zum großen Volk machen“? Vielleicht war es Gott wichtig, dass nicht nur Abraham, sondern auch seine Nachkommen, das große Volk, alle Generationen, die nach ihm kommen, aus dieser Probe lernen? Bestimmt ist es Gott wichtig, dass auch wir aus dieser Probe lernen, wie unser Gott ist und, wie er nicht ist.

Liebe Gemeinde,

in der Zeit Abrahams gab es noch den grausamen Brauch des Menschenopfers. Menschen wurden den Gottheiten geopfert. Durch diese Geschichte können wir mitfühlen, wie sehr Menschen unter diesem religiösen Brauch leiden mussten. Wir spüren an jedem Wort, wie schmerzhaft es für Abraham war dem Befehl Gottes zu gehorchen.

Das erinnert mich an meine Schulzeit. In der Schule mussten wir im Fach Geschichte lernen, dass in der Vergangenheit sehr viele schreckliche Dinge passiert sind. Unsere Lehrer sagten uns: „Diese Dinge sollen wir niemals vergessen. Sie sollen in unserer Erinnerung bleiben. Damit sind wir gewarnt und sollen aufpassen, dass so etwas nie wieder passiert.“

Genauso sehe ich diese Erzählung von Abraham. Gott möchte, dass wir daraus lernen, dass so etwas eigentlich nie passieren darf, weder damals noch heute. Kein Mensch soll geopfert werden. Deswegen ließ Gott nicht zu, dass Abraham sein Kind opfert. Gott verlangt von ihm kein Opfer. Gott verlangt von ihm nur sein Vertrauen und so sollen seine Nachkommen auch lernen, was Gott von uns möchte, nämlich dass wir ihm vertrauen, dass wir uns auf ihn verlassen. Das ist Gott genug.

Vielleicht fragen wir uns auch: „Wie können wir uns auf den Gott verlassen, der uns auf so schwere Wege führt? Und hat Abraham Gott blind gehorcht?“

Ich glaube nicht, dass Abraham blind gehorcht hat. Abraham hat Gott gehorcht, weil er Gott kannte. Er hat mit Gott Erfahrungen gemacht. Er kannte Gott, als den treuen Gott, der sein Versprechen immer hält. Er kannte Gott, der die Macht über das Leben hat, der ihm und seiner Frau ein Kind gab, obwohl sie beide dafür schon zu alt waren. Er glaubte an Gott, der Unmögliches möglich macht. Er glaubte an Gott, der ihn nicht nur aus seinem Vaterland gerufen hat, sondern auch die schweren Wege bis dahin an seiner Seite gegangen ist.

Abraham hat Gottes Güte erlebt. Er wusste Bescheid: Gott ist gut. Gott ist gar nicht wie die anderen Gottheiten. Auf diesen guten Gott hat er vertraut, und konnte deswegen seinen Knechten sagen: „wir“, sein Sohn und er, „kommen zurück zu euch, nachdem wir Gott angebetet haben.“ Aus dem Gottvertrauen heraus hat Abraham seinem Sohn, Isaak, geantwortet: „Gott wird sich das Opferlamm selber auswählen“ Auf Hebräisch heißt es an dieser Stelle, dass “Gott für das Opferlamm selber sorgen wird”. Aus seinem Glauben sah Abraham, was seine Augen noch nicht sahen. Aus seinem Glauben sah er Gott, den er vertrauen konnte, auch wenn er vieles nicht verstand.

ich finde es erstaunlich, was diese Erzählung uns über das Vertrauen lehrt. Vertrauen auf Gott heißt nicht, dass wir nur durch gute und einfache Wege gehen werden. Vertrauen auf Gott heißt auch nicht, dass wir mit unserem Verstand immer verstehen können, wohin Gott uns führt. Aber unser Vertrauen auf Gott ermöglicht uns, Gott zu sehen, der mit uns auf unseren Wegen geht. Dieses Vertrauen ermöglicht uns, Gottes Hilfe zu sehen, auch wenn wir gerade vieles nicht verstehen.

So wie Abraham, so dürfen auch wir daran glauben, dass Gott uns hilft und einen Ausweg für uns finden wird. Auch wir dürfen daran glauben, dass Gott möchte, dass wir leben.

In ihm ist das Leben. Er ruft uns zu sich, damit wir zu ihm kommen und das Leben von ihm erhalten. Er verlangt von uns keine Opfer dafür, wenn wir zu ihm kommen und Leben von ihm haben wollen. Vielmehr sorgt er für uns einen Weg zum Leben. Er bereitet uns selber den Weg zum Leben, den Weg zu ihm. Unser Gott, der Gott Abrahams und Isaaks, der ist in Jesus Christus Mensch geworden, damit wir zu ihm kommen können. In Jesus gibt er uns sein Leben, damit wir Leben haben.

In diesem Gott sehe ich nichts anderes als Gerechtigkeit, Geduld und Liebe. Auf diesen Gott, den ich kenne, verlasse ich mich. Wenn wir uns ganz auf ihn verlassen und mit ihm gehen, wohin er uns führt, glaube ich, dass wir am Ende seinen Segen und das Leben sehen und von ihm bekommen werden.

Gottes Friede, der höher ist, als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.